Was sind Essstörungen?

Bei Essstörungen geht es um mehr als Über- oder Untergewicht: Die Gedanken kreisen um das Essen und den Körper und vieles andere gerät in den Hintergrund, so dass nach einiger Zeit von einer Verhaltenssucht gesprochen werden kann und auch die Gesundheit gefährdet wird.

Es ist daher wichtig, Essstörungen ernst zu nehmen und auf
Anzeichen von auffälligem Essverhalten am Arbeitsplatz zu achten,
um als Führungskraft oder Kollege und Kollegin
frühzeitig und angemessen darauf zu reagieren.

Als Vorstufe und erstes Warnzeichen für alle Formen von Essstörungen gilt die

  • Latente Esssucht.
    Vorsicht ist geboten, wenn ständig Kalorien gezählt werden,
    zu viel Sport getrieben wird und häufig Diäten durchgeführt werden.

Formen von Essstörungen

Unter dem Begriff Essstörungen werden meistens folgende drei Formen von auffälligem Essverhalten zusammengefasst, wobei Mischformen häufig und die Übergänge fließend sind:

  • Essanfälle (Binge-Eating) Heißhungerattacken mit Kontrollverlust über die konsumierte Nahrungsmenge

    Esssucht mit Kontrollverlust "Fressattacken" (Binge Eating Disorder)

    0,1 % der Frauen und 0,1 % der Männer;  1,5- 2 Millionen Betroffene in Deutschland

    Bei dieser Essstörung kommt es zu periodischen Heißhungeranfällen, Essattacken oder "Fressanfällen" mit Verlust der Kontrolle über die konsumierte Nahrungsmenge. Viele leiden infolgedessen unter Übergewicht. Manchmal wird in der Folge versucht, mit Diäten und Fastenzeiten wieder zu einem Normalgewicht zurückzukehren.

    Die Essanfälle werden in der Regel durch negative Gefühle ausgelöst und finden heimlich und allein statt. Sie werden meist nach außen vertuscht. Während einer Essattacke werden größere Mengen fettreiche und süße Lebensmittel gegessen.

  • Magersucht (Anorexie)

    1,1 % der Frauen und 0,3 % der Männer

    Von Magersucht sind 5 bis 15 von 1000 jungen Frauen betroffen.

    Das durchschnittliche Alter für den Erkrankungsbeginn liegt bei 15 Jahren. Bei etwa einem Drittel nimmt die Erkrankung einen chronischen Verlauf und endet teilweise tödlich.

    Extremes Abmagern, das bei Magersucht häufig vorkommt, kann massive körperliche Schäden verursachen. Diese können zu lebensbedrohlichen Zuständen führen und sogar den Tod zur Folge haben.

    Eine Einschätzung des Untergewichts ermöglicht der sogenannte Body-Mass-Index (BMI), der das Gewicht in Relation zur Größe der Person setzt. Dieser gibt aber keinen sicheren Grundwert an, um das akute Sterberisiko einzuschätzen.

    Überlebenszeitanalysen zeigen, dass die Sterbewahrscheinlichkeit geringer ist, wenn das niedrige Gewicht stabil ist und ausschließlich durch Hungern (und nicht durch Erbrechen oder Substanzmissbrauch) herbeigeführt wird.

    Die Behandlung insbesondere von Magersucht ist schwierig, weil oft bei den Betroffenen wenig Einsicht und Bereitschaft vorhanden sind, das eigene Verhalten zu ändern. So schwer und unverständlich es sich anhören mag: Statt einer realistischen Angst vor dem Tod durch Verhungern, besteht eine teilweise extrem ausgeprägte Angst vor einer Gewichtszunahme und dem „Dick werden“.

  • Ess-Brechsucht (Bulimie)

    0,3 % der Frauen und 0,1 % der Männer

    Nach der Essensaufnahme kommt es zu starken Spannungszuständen, die (vermeintlich nur) durch willkürliches Erbrechen oder starke körperliche Betätigung ausgeglichen werden können.

Auch folgende Essstörungen werden diagnostiziert:

  • Diätsucht (Orthorexie)

    Bei der Orthorexie (orthos = richtig, orexis = Appetit) steht die Qualität des Essens für die Betroffenen im Vordergrund. Sie sind krankhaft auf gesundes Essen fixiert und versuchen alles Ungesunde zu vermeiden. Und das kann große Ausmaße annehmen: Sie denken stundenlang über Nährwerttabellen nach, prüfen den Vitamingehalt der von ihnen verzehrten Lebensmittel und versuchen immer "gesündere" Lebensmittel zu bekommen. Oft versuchen sie mit großem Sendungsbewusstsein, ihre Umgebung zu einem gesünderen Leben zu bekehren.

    Im Laufe der Zeit gibt es immer weniger Nahrungsmittel, die ihren Qualitätsanforderungen entsprechen, so dass es zu Mangelerscheinungen und Untergewicht kommt. Durch die Fixierung auf das Essen werden Beziehungen und andere wichtige Dinge vernachlässigt.

  • Übergewicht (Adipositas)

    Übergewicht durch übermäßige Nahrungsaufnahme ohne Heißhungerattacken gilt nicht als Essstörung im Sinne „süchtigen“ Verhaltens.

    Jedoch handelt es sich um eine bedrohliche Erkrankung, die häufig in ihrer Gefahr für die Gesundheit allgemein unterschätzt wird.

    Übergewicht kann mit Hilfe von Ernährungsberatung, d. h. einer individuellen Diät kombiniert mit Bewegungstraining, abgebaut werden.

    Wenden Sie sich diesbezüglich an Ihre Krankenkasse, die Adressen von Ernährungsberatungen bereithält, sowie Onlinecoaching und Kurse zum Abnehmen anbietet und bezuschusst.

    Leichter durchs Leben ist ein interdisziplinäres, ambulantes Behandlungsprogramm der Medizinischen Hochschule Hannover gegen Übergewicht.

Mindestens 1,5 % der Frauen und 0,5 % der Männer leiden unter einer drei Hauptformen von Essstörungen. Andere Studien zeigen auf, dass ca. 4 % der Bevölkerung an einer Binge-Eating-Störung leiden, davon 40 % Männer (DEGS1-Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland von 2013).
Von Magersucht, Ess-Brechsucht und Diätsucht sind vor allem Frauen betroffen, während Heißhungerattacken beide Geschlechter ungefähr gleich häufig betreffen.

Menschen mit Essstörungen leiden unter einer übermäßigen gedanklichen Beschäftigung mit Themen, die um Essen, Gewicht und Figur kreisen. Sie sind sich ihrer Krankheit oft nicht bewusst und davon überzeugt, ihre Probleme allein lösen zu können.

Auch wenn viele Essstörungen bereits in der Kindheit oder Jugend erstmals auftreten, gibt es zunehmend auch Menschen im mittleren Alter, die darunter leiden.

Betroffene versuchen, das Problem zu verstecken und Schuld- und Schamgefühle verhindern oft, sich damit realistisch auseinander zu setzen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Essstörungen sind keine Ernährungsstörungen, die man mit „dem richtigen Umgang mit Essen" oder der „richtigen Diät" in den Griff bekommt. Eine Ernährungsberatung bringt also meistens gar nichts (bestenfalls vorübergehend).

Es bedarf einer psychischen Behandlung, da Beeinträchtigungen der emotionalen Verarbeitung und der Körperwahrnehmung vorliegen.